Nelion 5.188m und Batian 5.199m
Höchster Berg von Kenia
Point John, Batian und Nelion in den Wolken Copyright: Matthias Fieles
Das Mount-Kenya-Massiv (auch Mount Kenya oder Mount Kenia; in der Sprache der Massai Kirinyaga und Kinyaa „schwarz-weißer Berg“) ist mit 5199 m das zweithöchste Bergmassiv in Afrika und ein erloschener Vulkan. Der Mount Kenya befindet sich rund 15 km südlich des Äquators in Kenia, das sich nach dem Berg benannte.
1949 wurde der Mount-Kenya-Nationalpark gegründet. 1983 wurde der Mount-Kenya-Nationalpark mit dem 65000 ha großen Schutzgebiet Lewa Wildlife Conservancy erweitert.
1997 wurden der Mount-Kenya-Nationalpark und das Lewa Wildlife Conservancy mit dem Ngare Ndare Forest Reserve (LWC-NNFR) von der UNESCO zum Weltnaturerbe erklärt.
Quelle Wikipedia
17.01.2007 Zürich – Nairobi (ca. 1.600 Meter über Null)
Wir treffen uns am Flughafen in Zürich, jeder hat ordentliche Gepäckmengen dabei. Alle sind in aufgeregter und erwartungsvoller Stimmung.
Gegen 19:00 Uhr Ortszeit (Zeitverschiebung +2h) kommen wir in Nairobi an. Alle Check-In Vorgänge in Zürich und unsere Ankunft, mit Einreise nach Kenia, liefen problemlos ab. Kein Nachwiegen des Gepäcks, keine Ein/Ausreise Kontrollen, das Ausstellen der Visa für Kenia kostet uns 50$ und dauert ca. 15 Minuten. Es folgt die Fahrt ins erste Hotel durch dichten Verkehr, über schlechte Strassen mit schlimmen Abgasgestank. An einer Kreuzung versuchen Polizisten mit Hilfe einer Kette und einem alten Range Rover, eine umgefahrene Ampel wieder gerade zu biegen. Abendessen im Hotel, wir versuchen auch geistig in Afrika anzukommen, jeder hängt seinen Gedanken nach, irgendwie ist die Stimmung voller Vorfreude,
trotzdem etwas gedämpft.
18.01.2007
Schlecht geschlafen, Zeitverschiebung, die komplette Nacht extreme Hitze im Zimmer und vor dem Fenster lauter Verkehrslärm. 6:00 Uhr Ortszeit/04:00 Uhr Daheim, gebe ich auf, gehe aus dem Bett und fange an meine Sachen zu richten. Ein Teil des Gepäcks bleibt hier im Hotel. Alles, was wir am Berg nicht benötigen kommt raus und mein Packsack wird einige Kilo leichter. Alle Akkus sind nochmal einmal aufgeladen worden, es kann los gehen. Auch mein Zimmergenosse Erwin ist wach und wir bereiten uns aufs Frühstück vor. Wir machen einen kleinen Spaziergang durch das Hotelgelände und geniessen ein mittelprächtiges Frühstück. Es ist alles eher lieblos und geschmacklos angerichtet, viel Plastik und Wachstuchtischdecken runden den Gesamteindruck ab. Wir beladen die Autos und kurz nach 10:00 Uhr starten wir in unser Abenteuer. Peter meint noch, dass er vor der Autofahrt mehr Respekt hat als vor dem Berg. 220 Kilometer über zum Teil atemberaubende Pisten, durch unglaubliches Verkehrsgewühl drängelt sich unser Kleinbus durch das Land. Es lässt sich nicht beschreiben, was wir sehen. Es ist eine völlig andere Welt. Ich versuche so viel wie möglich davon in mir aufzunehmen, fotografiere viel, was bei dem Gewackel alles andere als einfach ist. Wir stoppen an einem Souvenirshop. Niemand kauft etwas, denn alles, was wir hier kaufen, müssen wir ab morgen tragen. Wir fahren weiter, Polizeikontrollen in jeder Ortschaft. Gegen 14.00 Uhr erreichen wir den Äquator. Wir sind jetzt auf ca. 2000 Meter Höhe. Fotos, Souvenirshop und weiter bis Nanyuki, ebenfalls ca. 2000 Meter über Null. Angeblich kann man morgen von hier das Mount Kenia Massiv sehen. Heute sehen wir nur Wolken. Wir checken in der Simba Lodge 1.986m ein, sehr einfach, aber sauber. Gegen 16:00 Uhr Ortszeit gibt es Mittagessen, im Anschluss eine Vorstellungsrunde. Wir lernen den obligatorischen Guide und seine drei Assistenten kennen. Wir besprechen unsere Ausrüstung, erster Schock, wir haben keine eigenen Zelte dabei, diese waren ja im Angebot enthalten. Ebenfalls laut Angebot, pro Teilnehmer 2 Träger, denen man je 15 Kg Gepäck abgeben kann. Die Realität ist, es sind keine Zelte da, abgeben kann man maximal 15 Kg an nur einen Träger. 14 sind geordert, wir hatten 20 Träger bezahlt. Unser Guide bleibt sehr cool, meint nur Hakuna-Matata (keine Sorgen), wir bekommen das alles hin, wir besorgen zusätzliche Porter und die notwendigen Zelte auch, kostet nur eben extra. Wir diskutieren, aber was bleibt uns weiter übrig. Der Guide telefoniert, nach ca. einer Stunde sind die benötigten Zelte da.
Wir unternehmen einen kurzen Ausflug in die Stadt und sind sofort die Hauptattraktion für die Kinder. Sie umringen uns, laufen uns nach, versuchen uns anzufassen und betteln uns um Geld oder persönliche Gegenstände an, die wir bei uns tragen. Wir tauschen Dollar in Kenia Schilling, damit wir am Abend unser Bier bezahlen können. Auf unserem Weg fallen uns riesige Berg von Altreifen und Gummiresten auf, diese sind vor chaotisch aussehenden Grundstücken und Häusern aufgetürmt. Es sitzen Männer vor diesen Haufen am Boden und stellen Gummisandalen aus diesen Reifen her. Eine fein gekleidete Dame steht davor und überwacht die Arbeiter. Auf Nachfrage erklärt sie uns, was hier produziert wird und fordert sofort eine Gebühr für unsere Nachfragen und für die Fotos, die wir gemacht haben. Nachdem wir ihr ein paar Schilling gegeben haben und unaufhörlich ihr Unternehmertum und die Geschäftsidee loben, dürfen wir weiter fotografieren und sie erklärt uns ausführlich. Sie kauft die Reifen auf, die meisten kommen aus Europa, dann werden diese zerlegt, das dabei anfallende Metall wird gesammelt und weiterverkauft. Aus der Lauffläche werden Sohlen geschnitten und aus den Flanken der Reifen Gummistreifen, die als Riemen für die Sandalen verwendet werden. Ungefähr 5 Minuten benötigt ein Arbeiter für ein Paar Sandalen, dafür bekommt er 2 Kenia Schilling. Auf dem Markt werden die Sandalen dann angeblich für 200 Schilling verkauft. Später stellt sich heraus, dass die auf den Märkten um ein Vielfaches billiger verkauft werden. Die anfallenden Reste werden dann unter freiem Himmel verbrannt oder landen in der Landschaft.
Ich lerne meine ersten Worte in Kisuaheli: Nataka Pombej (ich brauch Bier). Nach dem Ausflug, zurück in der Lodge, packen wir unsere Sachen so, dass wir diese auf die Porter verteilen können. Natürlich passt alles in die bereitstehenden Tragesäcke und beim Wiegen, welches durch ein kurzes Anheben des Packsacks durch den Guide erfolgt, erhält mein Packsack mit ca. 20 Kilogramm das Prädikat „matsch matsch OK“. Dann folgt nochmals eine kurze Einweisung in das, was die nächsten Tage geplant ist und es geht zum Abendessen. Noch vor der Nachtruhe das nächste Problem. Das Mittagessen war angeblich nicht im Angebot enthalten und muss jeweils extra bezahlt werden. Wir vergleichen die Unterlagen, ja es war im Angebot, steht aber nicht im Voucher, keiner von uns hatte vor Abreise Angebot und Voucher auf alle kleinen Details kontrolliert. Also wieder zusätzliche Kosten, kein grosser Betrag, aber dieses Schema wird uns die gesamte über Reise verfolgen.
19.01.2007
Seit der Abreise in Deutschland hatte ich leichte Rückenschmerzen. In dieser Nacht wurden sie grässlich, mein Rücken tut fürchterlich weh, ich kann kaum gerade gehen. Wolfgang hilft mir in der Nacht mit starken Schmerztabletten. Irgendwann schlafe ich doch ein und werde um 6:30 Uhr vom Muezzin geweckt. Ich fühle mich wie gerädert.
Am Gate wird alles gewogen, Papiere werden gestempelt, Bürokratie vom Feinsten. Wir starten Richtung Old Moses Camp, sehen unterwegs die ersten grösseren Tiere. Eine Horde Paviane werden durch unseren Lärm angelockt und schauen, ob sich was Essbares ergattern lässt. Unser Guide warnt uns, nur nicht zu dicht ran gehen, die sind gefährlich. Wir laufen los und legen ein ziemlich zackiges Tempo vor. Sofort tönt es, „Pole Pole“ (langsam langsam), ihr braucht eure Kräfte noch weiter oben…
Durch den Regenwald geht es bergauf. Wir treffen auf Spuren verschiedener Tiere, Büffel, Elefanten und eine Wildhundeart. Unser Guide wird nicht müde, uns die wichtigsten Verhaltensregeln zu erklären. Welche Spur, welcher Kackhaufen gehört zu welchem Tier. Wir lernen von den Assistent Guides einige Sätze auf Kisuaheli. Nataka maji ya moto – Ich brauche heisses Wasser, Nataka maji baridi – Ich brauche kaltes Wasser, Nataka pombej baridi – Ich brauche kaltes Bier oder zaidi – mehr, musungu – Weisser, watoto – Kinder, Mungu – Gott, und vieles mehr.
Angekommen im Old Moses Camp 3.300m , beziehen wir unsere Schlafplätze und ruhen uns aus. Wir machen Smalltalk mit den Trägern und die Mannschaft kocht für uns. Das mitgebrachte Fleisch, verpackt in einem schwarzen Müllsack, hängt an der Hüttenwand. Ratten laufen durch das Camp, der Hüttenwart meint: No problem, Hakunamatata, not much rats here, but further up in Shiptons Camp are very very much rats and very very big ones. Das stimmt mich doch schon einmal auf die nächste Unterkunft ein. Ein blutjunger Träger, ich schätze ihn auf höchstens 17 oder 18 Jahre, ist immer an meiner Seite. Er beobachtet alles, was ich mache und sage. Den Rest der Tour ist er immer in meiner Nähe. Das Abendessen besteht aus einer Suppe mit undefinierbarem Inhalt und einer Art Kartoffelbrei mit Erbsen, Möhren, Zwiebelsauce und paniertem Fisch. Im anschliessenden Meeting wird Wilson unser Guide, dass Programm für den nächsten Tag erklären. 20:00 Uhr, es ist kalt in Afrika, wir machen uns fertig für den Schlafsack und hoffen das die Ratten uns in Ruhe lassen. Usiku mwema, larini salama, Gute Nacht und pass auf Dich auf.
20.01.2007
Wecken um 6:00 Uhr mit schottischer Dudelsackmusik aus meinem Handy. Es gibt ein fantastisches Frühstück, Porridge mit Bananen und Mango, Pfannkuchen mit Würstchen, meine Diätbemühungen werden torpediert. Wir packen unsere Sachen ein, verteilen das Gepäck auf die Träger und uns und 7:30 Uhr ist Start. Meine Rückenschmerzen sind präsent, aber erträglich. Ich hoffe auf Besserung durch die Bewegung. Wir steigen höher und ab 3.500m wird die Vegetation karger, die Landschaft gleicht nun einer Savanne. Es geht hoch bis auf 3.750m und wieder runter auf 3.600m, dann durch einen Fluss (Liki River) und wieder hoch auf 3.819m. Wir rasten und Wilson erklärt uns, dass es für heute nicht mehr bergab geht und wir nun die Hälfte der Tagesetappe geschafft haben. Später rasten wir oberhalb des wunderschönen Mackinder‘s Valley, mit den Riesenlobelien, welche hier die Landschaft prägen. Von hier können wir das erste Mal unser Ziel, die beiden Fünftausender Batian und Nelion, sehen, die sich ab Mittag aber wieder hinter dicken Wolken verstecken. Auf 3.900m gibt es Lunch, das Team der Träger war voraus gegangen, alles ist vorbereitet, ankommen auf eine Picknick Decke setzen und essen. Die nächste Etappe folgt dem Fluss in Sichtweite, immer dem schönen Mackinders Valley folgend. Die Steilstufe von 4.000m auf 4.200m fordert mir etwas Kraft ab, aber auch die anderen im Team sind am Schnaufen. Wir spüren die Höhe, zu meinen Rückenschmerzen gesellen sich leichte Kopfschmerzen. Wann immer möglich zwinge ich mich zum Trinken. Trinken ist der Schlüssel zum Gipfelerfolg. In meinem Kopf taucht immer wieder der Gedanke auf, wie wird es morgen im Basislager an der Austrian Hut auf Mont Blanc Niveau. Einige erfolglose Versuche an diesem Berg lassen mich an meiner Höhentauglichkeit Zweifeln. Ich versuche diese Gedanken zu unterdrücken. Nach vorne schauen und laufen, basta. Erwin erheitert die Gruppe mit alemannischen Weisheiten. Er ruft uns zu: „ chömmet die Wulche vum Rhii, gits Sunneschii, chömmet se vum Wald, rägnet’s bald“. Er sollte recht behalten, sie kamen später auf der Tour immer vom Wald…
15:00 Uhr kommen wir im Shipton‘s Camp auf 4.236m an. Unsere Porter sind lange vor uns angekommen und haben warmen Tee und gebackene Teigringe vorbereitet. Die Jungs sind super, es tut so gut das warme Gebäck und den Tee zu geniessen. Das Camp ist leider wirklich total Ratten verseucht. Die Toiletten sind, na nennen wir es mal abenteuerlich, dazu die ständig zwischen den Beinen herumlaufenden Ratten.
Zwei Amerikaner kommen im Abstieg bei uns vorbei. Sie erzählen das sie nicht oben waren, sie haben den Nelion versucht und waren zu langsam. Deshalb mussten sie am Baillis Biwak auf ca. 5.000m umdrehen und wieder abseilen. Für einen weiteren Versuch reichten Zeit und Kraft nicht mehr, deshalb geht es jetzt nach unten. Die Nacht hier im Camp wird grässlich, die Ratten laufen überall herum und zu den Rückenschmerzen kommen noch heftige Kopfschmerzen. Langsam mache ich mir auf Grund des Schlafdefizites Sorgen.
21.01.2007
7:30Uhr Tagwache, aufstehen, Knochen sortieren, Sachen packen, Frühstück. Dieses ist heute sehr reichhaltig und soll uns auf die nächste Etappe vorbereiten. Obst, Müsli, Würstchen, Teiggebäck und Unmengen Tee. Um 9:00 Uhr starten wir zu einer anstrengenden Etappe. Die Luft ist merklich dünner, alle spüren die Höhe. Wir laufen los und ein wenig später rennen die Hochträger mit ihren schweren Lasten an uns vorbei. Von 4.236m geht es hoch zum Simba Cool auf 4.500m und wieder runter auf 4.450m, dann hoch zum Thoos Cool auf 4.600m leicht abwärts und hoch zur Austrian Hut auf 4.790m.
Unsere Porter haben die Zelte schon fast komplett aufgebaut, schaufeln Schnee beiseite und rollen Steine weg, um halbwegs benutzbare Flächen zu bekommen. Das Mittagessen bringe ich später hinter einen grossen Stein. Ich fühle mich elendig, kurzatmig, Kopfschmerzen, extreme Müdigkeit und Schwindelanfälle. Ich krieche ins Zelt und werde von Wolfgang gegen 18:00 Uhr geweckt. Vom Abendessen bekomme ich nichts runter. Ein paar Spagetti ohne alles und viel Tee. Ich friere erbärmlich, trotz Daunenjacke. Wie es wohl den Trägern geht? Die haben keine Zelte, die haben Decken und Plastikplanen unter denen sie schlafen. Der Tee tut so gut, je mehr ich trinke, desto besser fühle ich mich. 19:30 Uhr beziehen Wolfgang und ich unser Zelt und ich schreibe noch ein paar Zeilen im Licht der Stirnlampe, bin gespannt auf die Nacht.
22.01.2007
Die Nacht war nicht gut für mich. Die Rückenschmerzen sind besser, aber starke Kopfschmerzen waren mein Begleiter in der Nacht. Dazu rächte sich der viele Tee. Ich musste vier Mal in der Nacht aus dem Zelt zum pinkeln. Es ist richtig kalt, also anziehen, aus dem Zelt kriechen, pinkeln, wieder ins Zelt kriechen, ausziehen und 15 Minuten warten bis der Puls wieder unten ist. Als am Morgen ein Rasseln im Atem zu hören ist, hört mich Wolfgang mit dem Stethoskop ab, ich bekomme Nifedipin, nehme ein Asthmaspray und Kopfschmerztabletten. Fast allen geht es schlecht, selbst einige der Hochträger machen keinen wirklich fitten Eindruck heute. Nach dem Frühstück wird es besser, die Medikamente wirken, Bewegung kann nicht schaden. Wir starten gegen 9:00 Uhr zum Point Lenana 4.985m, der höchste Punkt hier, der ohne technische Kletterei erreichbar ist. Vor uns ist eine Gruppe junger Amerikaner unterwegs. Das Gelände ist für erfahrene Berggänger nicht schwierig, trotzdem muss man bei der Sache sein und konzentriert gehen. Es kommt in der Gruppe vor uns zu einem folgenschweren Unfall. Eine junge Frau rutscht ab, es ist kalt und alles ist am Morgen noch hart gefroren. Sie bleibt einige hundert Meter tiefer liegen. Wolfgang und ich wollen absteigen und versuchen zu helfen, unser Guide meint, da wo sie liegt, ist sie tot, auch wenn sie noch nicht tot sein sollte. Als wir etwas näherkommen, sehen wir da ist nichts mehr zu helfen, sie liegt zerschmettert da.
Die Stimmung ist dahin, jeder hängt seinen Gedanken nach. Mittags sind wir wieder an unserem Basislager und der Appetit hält sich in Grenzen. Am Nachmittag um 15:00 Uhr starten 7 von unserer 10-köpfigen Mannschaft zu einer kleinen Erkundungstour. Wir wollen den Einstieg zur Kletterroute am Nelion anschauen. Wir spüren die Höhe, aber mir geht es seit dem Morgen kontinuierlich besser. Zusammen mit 4 weiteren Teammitgliedern klettern wir die ersten Meter der Route zum Gipfel, um ein Gefühl für die Wand zu bekommen. Bevor die Route richtig schwierig wird, steigen wir wieder ab. Ich habe die anderen beobachtet und bin mir nicht sicher, ob ich das will. Mit einer grossen Gruppe und mehreren Seilschaften werden wir die Route nicht in der erforderlichen Zeit schaffen. Mit gemischten Gefühlen steigen wir zum Camp ab. Ich setze mich allein in die Sonne und bedenke das Projekt noch einmal. Mein Entschluss steht dann fest. Diese Wand können wir nur schaffen, wenn wir in Zweierseilschaften unterwegs sind. In unserer Gruppe sind alles starke Leute, aber klettertechnisch traue ich einigen die Tour einfach nicht zu. Als ich zum Abendessen komme und überlege, wie ich meine Gedanken diplomatisch an die Gruppe weitergeben kann, hat sich die Situation von allein geklärt. Ausser Wolfgang und mir will offensichtlich keiner der anderen im Team in die Route einsteigen. Die Eindrücke mit dem Unfall der Amerikanerin und der Einblick in die Kletterroute, hatte Spuren im Team hinterlassen. Somit steht mein Seilpartner für morgen fest. Das Wetter soll morgen gut werden.
Unser Zelt ist kaputt, alles flattert, Wolfgang versucht es zu reparieren. Es wird eine Nacht in einer Zeltruine. Der Wind weht sehr stark. 20:00 Uhr Wolfgang hat seine Reparaturversuche aufgegeben. Das Zeltgestänge ist hinüber, wir beschweren die Leinen mit grossen Steinen und ich verankere mit meinem Pickel eine Schnur vor dem Eingang.
23.01.2007
Der Wind hat nicht nachgelassen. Ständig sind wir abwechseln in der Nacht aus dem Zelt raus, haben die Leinen nachgezogen und Steine draufgelegt. Gegen 2:00 Uhr krieche ich gerade ins Zelt zurück, als ein starker Windstoss den verankerten Pickel heraus reisst und dieser mir mit ordentlicher Wucht, durch die Zeltwand hindurch, auf den Kopf knallt. Zum Glück hatte ich die Daunenjacke mit Kapuze an und eine Mütze darunter, dass hat wohl das Schlimmste verhindert. Wolfgang streckt die Arme und Beine nach oben, hält die Zeltplane hoch, bis ich wieder draussen bin und die Leinen wieder fixiert habe. Hoffentlich bläst es das Teil nicht weg, wenn wir nachher unterwegs sind. Die letzte Stunde vor dem Aufstehen dämmere ich dahin und muss ganz intensiv an meine Kinder Katharina und Florian denken. Wir richten unsere Sachen und wollen los. Da steht Marianne mit voller Ausrüstung da und will mitgehen. Ich bringe es nicht fertig nein zu sagen. Der Gipfel hat sich für mich damit erledigt, eine Dreierseilschaft ist zu langsam. Wir werden einige Seillängen schaffen und dann wieder absteigen, um rechtzeitig vor der Nacht wieder im Camp zu sein. Um 5:00 Uhr stapfen wir beladen los und sind gegen 6:00 Uhr am Wandfuss. Zum Glück hatten wir am Vortag die Erkundung gemacht, somit war es deutlich einfacher den Einstieg zu finden. Wir erleben einen traumhaften Sonnenaufgang und sehen am Horizont den Mount Meru und den Kilimanjaro. Nochmal fast 1.000m höher als unsere jetzige Höhe. Wenn alles gut läuft, sind wir in einigen Tagen dort. Ich verteile das Material, ich werde alles Vorsteigen müssen, deshalb habe ich den leichtesten Rucksack, aber dafür die meiste „Schlosserei“ am Gurt. Wolfgang hat ein zweites Seil dabei und somit den schwersten Rucksack. Tee und Wasser drücken schwer im Rucksack. Es gibt in dieser Wand keine Möglichkeit die Trinkflasche nachzufüllen. Die ersten beiden Seillängen steigen wir frei hoch, dann seilen wir an und machen uns an den mit Eis gefüllten Kamin. Eine Querung, eine weitere Querung, wir gewinnen an Höhe, wieder ein Kamin in dem ich mich hochquälen muss, Marianne stürzt ins Seil, behauptet aber alles OK, ihr fehlt nichts. Irgendwann steige ich einer Spur nach und die Route endet in einem Überhang, unter dem ein Friend im Felsen steckt. Ab hier geht es nicht weiter, ich bin falsch. Am Friend seile ich mich ca. 10m ab und finde wieder den richtigen Weg. Danke demjenigen, der da auch schon falsch war. Es geht über Felsstufen diagonal nach rechts in einen Couloir und von hier schräg nach links Richtung Biwak auf ca. 5.050m. Meine Ansage beim Start war, um 14:00 Uhr drehen wir um, egal wo wir sind. Es ist jetzt kurz vor 13:00 Uhr, wir sind viel zu langsam, deshalb machen wir eine Pause am Biwak, essen und trinken etwas. Marianne sieht nicht gut aus. Es stellt sich heraus, sie hat sich bei dem Sturz mindestens eine Rippe gebrochen. Shit, aber sie ist knallhart und hat kein einziges Mal gejammert. Wir beginnen mit dem Abseilen, der Weg ist manchmal schwierig zu finden. Im Basislager hatten mir am Vortag zwei Russen erzählt, sie hatten Schwierigkeiten beim Abstieg, die Abseilplätze sind nicht leicht zu erkennen. An einer besonders schwierig zu findenden Stelle liegt ein grünes Bonbonpapier aus Aluminium. Er meint, ich weiss nicht, warum es da liegt, aber es liegt da. Im Abstieg blinkt mir exakt dieses kleine Stück Alufolie von einem Powerriegel entgegen. Die Stelle ist schnell erreicht und wir kommen relativ zügig voran. Gegen 16:30 Uhr stehen wir wieder am Wandfuss und packen unsere Ausrüstung in die Rucksäcke. Ich bin fix und fertig, Wolfgang sieht auch nicht mehr so frisch aus und Marianne hat mit ihren gebrochenen Rippen wahrhaft Grosses geleistet. Langsam steigen wir durch das Geröllfeld am Wandfuss in Richtung Lewis Gletscher ab. Am Beginn des Gletschers kommen uns unsere Kameraden plötzlich entgegen. Sie nehmen uns die Rucksäcke ab und es herrscht eine fröhliche Stimmung. Als wir ins Camp kommen, werden wir wie Helden gefeiert, die Träger klatschen und singen, unsere Guides sind stolz, dass aus ihrer Gruppe jemand in dieser Wand war. Es herrscht eine aufgekratzte Stimmung im Camp, jeder will wissen wie es uns ergangen ist und was wir wann und wo gemacht haben. Es stellt sich heraus, dass wir den kompletten Tag über von allen Anwesenden Gruppen im Camp mit Ferngläsern beobachtet wurden und jeder Schritt wurde, diskutiert und bewertet. Nichts blieb unbeobachtet. Wir bekommen heissen Tee und erst jetzt bemerke ich wie arg meine Finger in Mitleidenschaft gezogen wurden. Am Morgen hatte ich mir beim Klettern die Fingerkuppen angefroren, alle Fingernägel angehoben, blutig, Risse und Abschürfungen an den Fingern und Knöcheln. Es pocht und schmerzt, Marianne hilft mit Ringelblumensalbe, Wolfgang sieht sich das Malheur an, meint aber lakonisch, das wird schon wieder. Kai stopft sich unter den interessierten Augen von Toto, eine Pfeife. Er darf probieren und es scheint ihm zu schmecken. Daraufhin schenkt Kai dem Toto seine Ersatzpfeife, einen Stopfer und etwas Tabak. Stolz sitzt Toto auf einem Felsblock und raucht. Erwin geht zu ihm, haut ihm auf die Schulter und sagt: „gell die isch gut iibrennt“. Toto lächelt und nickt zustimmend. Mein junger Freund ist immer in meiner Nähe, wir unterhalten uns lange. Er erzählt das er verheiratet ist, dass das nicht sein Wunsch war, aber jetzt ist es für ihn in Ordnung. Er und seine Frau haben einen Baby Boy und er freut sich, wenn wir bald absteigen und er nachhause kann zu seiner Frau und dem Kind. Immer wieder tätschelt er meinen Arm und sagt, Matze you are strong like a lion. Es ist eine ausgelassene Stimmung im Camp. In dieser Nacht schlafe ich wie ein Stein.
24.01.2007
Meine Rückenschmerzen sind weg, ich fühle mich sehr gut an die Höhe angepasst, die Lunge ist in Ordnung. Gute Voraussetzungen für den zweiten Teil unserer Tour. Wir packen zusammen und starten nach dem Frühstück den Abstieg. Es wird für mich die Hölle. Der gestrige Tag steckt mir in den Knochen, die Nase und der Nacken sind verbrannt und reiben. Die Hände sind so lädiert, dass ich es nicht einmal schaffe meinen Reissverschluss zu schliessen. Günther hilft mir beim Verpacken des Schlafsacks und schliesst mir die Rucksackschnallen. Es geht lange über steiles Geröll, später durch sumpfige Landschaft, dann Busch und zum Schluss Urwald. 7 Stunden Abstieg, 1.800 Höhenmeter, zig Kilometer mit kleinen Gegenanstiegen. Ich fühle mich schwach, der Kreislauf macht Probleme und ich muss viel Willen aufbringen, um weiter zu laufen. Das Ziel ist ein Camp auf 3.300m unterhalb einer Wetterstation. Der Weg scheint nicht enden zu wollen. Am späten Nachmittag erreichen wir unser Tagesziel, dieses liegt sehr idyllisch mitten im Urwald. Ich bin komplett fertig, wir essen und relaxen.
Am Abend kommt Wilson und will die Endabrechnung machen. Er hat kalkuliert und benötigt pro Teilnehmer 110,-$ zusätzlich. Die Preissteigerung um 1.100,-$ verwundert uns dann ziemlich. Wir hatten ein umfangreiches Paket gebucht und bereits bezahlt. Alle sind sauer, die Stimmung ist dahin. Mischa übernimmt die Verhandlung und fragt, wie sich das zusammensetzt. Wilson erklärt, 2x35,-$ sind für zwei zusätzliche Tage, 2x5,-$ zwei zusätzliche Tage Nationalparkgebühr und 40,-$ für zwei zusätzliche Tage mit den Trägern. Wir sind erstaunt, das sind zum einen 120,-$ und zum anderen haben wir die Nationalparkgebühr bereits bezahlt. Zudem haben wir keine zwei Tage zusätzlich benötigt, sondern sind im Zeitplan. Wir beschliessen das jetzt nicht zu zahlen und das am Gate zu klären, wenn wir wieder Kontakt zur Agentur haben oder direkt in Nairobi in der Agentur. Wilson ist beleidigt. Die Träger wollten für uns singen und sich von uns verabschieden, er verbietet denen das, entsprechend macht sich auch unter den Trägern Enttäuschung breit. Wir liegen alle früh im Bett. Leider kann ich wieder nicht schlafen, die Situation ist für mich nicht zufriedenstellend. Draussen sind die schaurigsten Geräusche aus dem Regenwald zu hören. In der Nacht drückt meine Blase. Die Blase gewinnt immer, als stehe ich auf und gehe vor die Tür. Die Toilette befindet sich ungefähr 100m weg vom Camp. Bei Öffnen der Hüttentür schlägt mir ein solcher Urwaldlärm entgegen, keine 10 Pferde bringen mich dazu, die 100m bis zum Klo im Dunkeln zu laufen! Ich pinkle neben die Hütte und drehe mich laufen nach allen Richtungen um. Von weitem sah meine Stirnlampe vermutlich aus wie ein Leuchturm ?
25.01.2007
Wir steigen um 7:00 Uhr weiter ab in Richtung Gate. Hier werden alle vorgeschriebenen Formalitäten erledigt. Der Müll wird gewogen und es gibt viele Stempel und Papiere. Als dies erledigt ist, verabschieden wir uns von den Trägern, Köchen und Assistent Guides. Es gibt eine festgelegte Rangordnung bezüglich der Trinkgelder, wir orientieren uns immer eher am oberen Rahmen. Für die Träger 5$ pro Tag, die Köche und die Assistent Guides je 7$ pro Tag und Wilson 9$ pro Tag. Wir zahlen das Geld direkt an die Leute aus, das kommt ebenfalls nicht gut an bei Wilson. Er erklärt uns, das Geld bekommt komplett der Guide, welcher es dann in den vorgesehenen Beträgen an seine Leute verteilt. Er schafft es die Stimmung weiter zu vergiften. Ich nehme einen der erfahrenen und älteren Assistent Guides auf die Seite und frage ihn: Toto, sag mir, ist das Trinkgeld nicht in Ordnung. Er lacht und sagt, mehr Geld ist immer gut, aber es ist in Ordnung, Hakuna Matata. Bevor wir uns nun von den Portern verabschieden, schaffe ich es meinen jungen Freund auf die Seite zu ziehen. Ich drücke ihm 100,-Dollar in die Hand und sage ihm, das ist für Deine Frau und Dein Kind! Wenn Du das dem Wilson sagst, erfahre ich das, wenn Du das für Bier ausgibst, bekomme ich das raus, dann komme ich zurück und es gibt wirklich Ärger mit mir. Mit weit aufgerissenen Augen und todernst nickt er und verspricht kein Wort zu sagen. Wir treten die Rückreise im Bus nach Nairobi an. Keiner spricht mit Wilson. Er kommt im Bus zu mir und meint, er hätte nochmal nachgerechnet, es war wohl ein Fehler, es fehlen jetzt nur noch 40$ pro Teilnehmer. Wir sagen in Ordnung, aber wir benötigen eine Quittung. Er meint kein Problem, die besorgt er im Büro in Nairobi. Mischa und ich sprechen uns ab und sagen, das ist für uns in Ordnung, die 400,-$ geben wir ihm dann im Büro der Agentur beim Empfang der Quittung. Wilson ist jetzt richtig sauer, aber auch irgendwie unruhig, seine Coolness ist dahin. Eine anstrengende Rückfahrt von 250 Kilometer, mit dem obligatorischen Stopp an diversen Andenkenläden. Auch hier wieder Enttäuschung für Wilson, wir kaufen nichts weiter, da wir noch eine weitere Tour vor uns haben, also gibt es wieder nur eine kleine Provision für ihn, für ein paar Cola und Wasserflaschen. Angekommen im Hotel in Nairobi duschen wir und ziehen uns saubere Sachen an, was für ein Fest. Dann gehen Mischa und ich mit Wilson in das Office der Agentur. Die Firma gehört einem weissen Südafrikaner, einem Buren. Er ist ein riesiger Kerl, sicher zwei Meter gross. Auf dem Weg zum Büro sank die Nachforderung plötzlich auf 10,-$ pro Teilnehmer, für eine Camp-Gebühr, die der Guide angeblich auslegen musste. Im Büro angekommen, fragt uns der Inhaber breit grinsend, ob alles gut gelaufen sei. Wir sagen das alles passt und dass wir mit der Tour zufrieden waren, auch wenn wir den Gipfel nicht erreichen konnten und 133 unterhalb umdrehen mussten. Er wendet sich an Wilson und fragt auch ihn, ob es noch irgendwelche Probleme gab. Wilson verneint dies. Unser Gastgeber meint, dann lasst uns etwas Kaltes trinken, freut mich wirklich, wenn alles passt und ihr zufrieden seid. Mischa und ich schauen uns verwundert an. Ich frage ihn, warum lasst ihr die Träger mit Sandalen, Turnschuhen laufen und schickt die ohne Zelte in diesen erbärmlichen Klamotten auf den Berg? Er schaut mich lange und ernst an. Dann sagt er, weisst Du Matze, Du rüstest die Jungs einmal aus, sie verkaufen dann das Material und stehen beim nächsten Trip wieder mit den alten Klamotten am Start, das machst Du noch ein zweites Mal und dann eben nicht mehr.
Das Geld für die Tour, bekommen die immer nur in kleinen Tranchen. Viele würden sonst für Tage verschwinden und ohne Geld wieder zur Familie zurückkommen. Selbst die Bergschuhe werden verkauft, wenn das Bier eben schmeckt und die Geldbörse leer ist.
zurück im Hotel wird ausgiebig gegessen und das eine oder andere Bier getrunken. Es wird ein langer und lustiger Abend. Ich rufe noch Hajo, meinen Bruder an, um zum Geburtstag zu gratulieren.